TikTok – Chance fürs Fundraising oder Kinderkanal?

Verpassen wir, wenn wir TikTok im Fundraising nicht nutzen, eine Chance? Die App verspricht Reichweite, also Quantität. Generiert diese Reichweite aber auch qualitative Ergebnisse, sodass weitere Handlungen, wie Kontaktaufnahme oder gar Spenden, angestoßen werden? Und sind diese Ergebnisse auch nachhaltig und bindend?

Von Christine Gediga

Die Video-App TikTok verbreitet sich rasant unter Teenagern und wird immer mehr als das neue Marketing-Tool gehypt. Aber taugt eine Plattform, die in kurzer Abfolge vorwiegend zehn bis 15 Sekunden lange Videos zeigt, wirklich als nachhaltige Markenbotschafterin? Bleibt die Marke nachhaltig im Gedächtnis, sodass weitere Handlungen, wie eine Spende oder das Einholen weiterer Informationen, angestoßen werden? TikTok erreicht laut Experten millionenfache Reichweite – also Quantität – und überholt dadurch aktuell alle anderen Social-Media-Kanäle.

Millionenfache Reichweite

Allerdings: Welche Qualität diese Reich­weite erhält, hängt stark vom Inhalt des Posts ab und vom Algorithmus von TikTok. Dieser wählt sehr strikt nach Interessen aus. Einmal auf Tanzen oder Sport geklickt und man kann sich stundenlang Videos zum Thema anschauen. Da bleibt kaum Platz und Zeit für andere Inhalte. Und ob das Publikum etwas von dem, was es gesehen hat, auch im Gedächtnis behält und die Filme nachhaltige Reaktionen hervorrufen, bleibt fraglich. Kurzfristige Reaktionen – also Kommentare und sogar kleine virtuelle Geschenke, die den User bares Geld koste – sind sicherlich zu generieren, wenn der Content trendy ist und ankommt. Manche Experten gehen davon aus, dass TikTok Plattformen wie Instagram, Pinterest oder YouTube ablösen wird. Ich glaube, TikTok wird die Social-Media-Welt ergänzen.

Zielgruppe entscheidend

Denn auch für Kanäle der sozialen Medien gilt: Die Zielgruppe ist entscheidend. Ist es die „Generation Greta“, also die Kids, die diese Form des schnellen Konsums gewohnt sind? Oder richtet sich unser Anliegen eher an eine ältere Zielgruppe, die Eltern und Großeltern, für die TV noch kein „kaputtes YouTube“ ist, und die digitale Angebote nutzen, um sich zu informieren, auszutauschen und längerfristig zu kommunizieren?
TikTok bedient eine sehr junge Zielgruppe, die flexibel und schwer zu binden ist. Diese jungen Menschen sind jedoch die Fachkräfte, Kunden und Spender von morgen. Daher sollte man sich schon heute mit der App auseinandersetzen und erste Inhalte generieren. Wer dabei authentisch und sich und der eigenen Vision treu bleibt sowie Inhalte produziert, die die Zielgruppe, also die Kids, in ihrer Welt abholen, hat eine gute Chance, geliked und verbreitet zu werden – vielleicht sogar viral zu gehen. So kann TikTok helfen, Nachwuchs-Fachkräfte oder Spender beispiels­weise für Umwelt-, Klima- oder andere „junge“ Themen zu finden, zumal der Spenden­button sicher nicht mehr lange auf sich warten lässt – kleine Geschenke in Form von „Gift Points“ kann man ja bereits ver­teilen.

Chance für Marken, die sich an sehr junge Menschen richten

Wer sich vor dem Hochladen von Videos intensiv Gedanken macht, mit welchen Inhalten man bei den zukünftigen Er­wach­senen aus dem Überangebot heraussticht, welche Hashtags im Trend liegen und wie man die Bedürfnisse der jungen Menschen trifft, wird sicher auch geliked und geteilt und erreicht die versprochene millionenfache Reichweite. Inwiefern die Marke dabei allerdings nachhaltig beeindruckt und im Gedächtnis bleibt, muss sich erst zeigen.

Trend verpennt?

Und muss man denn jedem digitalen Trend hinterherlaufen? Die Social Media-Welt ändert sich gefühlt stündlich. Was heute der „heiße Scheiß“ ist, kann morgen schon vergessen sein – erst kürzlich hat der Erfinder von Vine, das amerikanische TikTok der 2010er Jahre – eine App veröffentlicht, die TikTok Konkurrenz machen will: Byte. Man darf also erst mal cool bleiben und sich genau überlegen, welche Trends man wirklich braucht und mit den verfügbaren Res­sour­cen mitmachen kann.
Sicher ist, dass die Bedeutung von Bewegt­bild steigt, ebenso wie Gamification und Inter­aktion, also Quiz und andere Spiele zu bestimmten (sozialen) Themen. Und noch ein Trend, der beruhigen darf, ist zu beobachten: Die Menschen, auch viele junge, legen trotz, oder vielleicht auch gerade wegen der Digitalisierung ihres Lebens immer mehr Wert auf Vernetzung und Beteiligung – auch offline.

Die Autorin dieses Beitrages

Christine Gediga ist seit 2007 Fundraiserin aus und mit Leidenschaft. Sie verantwortete in Vereinen in Bremen, bei der Lebenshilfe Freising und der Nachbarschaftshilfe Vaterstetten das Fundraising und die Öffentlichkeitsarbeit. Seit Anfang 2019 berät sie freiberuflich Vereine und Social-Profit-Organisationen im Fundraising und der Öffentlichkeitsarbeit. Sie betreibt einen Blog über Marketing, Fundraising und PR.
www.gediga-fundraising-pr.de

Foto: Natee Meepian/AdobeStock

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