Fundraising unter widrigen Umständen: Institutional Unreadiness

Wie lassen sich Fundraising-Erfolge erzielen, auch wenn es um die Institutional Readiness der Organisation gar nicht gut bestellt ist? 7 IR-Regeln im Praxis-Check.

Institutional Unreadiness statt voller Bereitschaft

In der Theorie ist Institutional Readiness (IR) als wesentliche Fundraising-Grundlage klar definiert. Zur praktischen Umsetzung findet sich eine Handvoll Regeln, die allerdings nur in den wenigsten fundraisenden Institutionen vollständig verinnerlicht sind und gelebt werden. Für einen Großteil von uns ist Institutional Unreadiness also eine geläufige Diagnose.

Nun kann man sich davon entmutigen lassen und die Fundraising-Schuhe an den Nagel hängen – oder aber die Herausforderung annehmen. Wenn zum Beispiel Ihr Fundraising-Zielbild eher diffus erscheint, Sie aber gleichzeitig ein hervorragend geeignetes Großspender-Projekt auf den Schreibtisch bekommen – dann fassen Sie doch trotzdem zu, oder? Gerade im Major-Donor-Bereich sind ganz konkrete Projekte sehr gut dazu geeignet, einfach mal loszulegen.

Fundraising-Herausforderung sportlich sehen

Anderes Beispiel: In der Projektanalyse stellen Sie fest, dass Ihre Organisation viel zu wenig qualifizierte Kontakte zu Großspendern hat, um das angedachte Vorhaben realistisch umsetzen zu können. Ihr Vorstand aber hat Feuer gefangen und will loslegen – nutzen Sie die Gunst der Stunde und präsentieren Sie eine Strategie, wie der Vorstand seine Beziehungen zu eben diesen Menschen nun endlich mal nutzen und kultivieren kann.

Worauf wir hinauswollen: In den meisten Organisationen wird es nie eine einhundertprozentige Institutional Readiness geben – und wenn wir darauf warten, werden wir im Fundraising nie erfolgreich sein. Wir möchten dafür plädieren, die Herausforderungen sportlich zu sehen, Rückschläge als unumgänglich zu akzeptieren und vor allem: selbst und ständig an der Weiterentwicklung des eigenen Fundraisings zu arbeiten.

Deshalb hier einige IR-Regeln im Praxis-Check:

  • Regel 1: „Mission, Marke und Profil der Organisation bilden eine überzeugende Fundraising-Grundlage.“ Praxis-Check: Schon bei der Unterscheidung von Vision und Mission kommen einige intern ins Schleudern. Das ändert aber nichts daran, dass sich Großspender für ein konkretes Projekt begeistern lassen.
  • Regel 2: „Fundraising ist Kernfunktion – also ein eigener organisatorischer Bereich innerhalb der Institution/Organisation.“ Praxis-Check: Eigene Abteilung, eigenes Sekretariat, fachlich breit aufgestellt – diesen Idealzustand müssen wir als unsere eigene Vision verstehen und unsere Mission entsprechend ausrichten.
  • Regel 3: „Fundraising ist überall in der Organisation verankert und verinnerlicht – jeder ist Teil des Fundraisings.“ Praxis-Check: Schön wär’s – hier wird es die größten Hindernisse geben, zumindest wenn Ihre Organisation im Grunde auch ohne Fundraising überlebt (z.B. Hochschule). Der Königsweg ist die „Infizierung“ Ihrer Kolleginnen und Kollegen durch Erfolgsgeschichten: Erwähnen Sie bei jeder Gelegenheit, was Sie schon geschafft haben!
  • Regel 4: „Fundraising, Marketing und Kommunikation der Organisation sind eng miteinander verzahnt.“ Praxis-Check: Ja, auch das wäre prima. Aber kann Ihre Pressestelle überhaupt Fundraising-Texte schreiben? Wahrscheinlich nicht – also laden Sie doch mal zum gemeinsamen Workshop ein: Wie schreibe ich eine Pressemeldung – wie schreibe ich einen Spendenbrief?
  • Regel 5: „Der/die Fundraiser(in) kann frei nach innen und außen agieren. Auch die Organisations-Leitung bringt sich aktiv in Fundraising-Maßnahmen ein.“ Praxis-Check: Sie sollten schon relativ frei agieren können, gerade wenn Ihrem Vorstand die Zeit für Fundraising fehlt. Stecken Sie also mit Ihrem Vorstand Handlungsfelder ab, in denen Sie tatsächlich für die Organisation sprechen können.
  • Regel 6: „Der/die Fundraiser(in) ist aktiver Teil der Jahres- und Budget-Planung der Organisation – denn dort identifiziert er/sie die Cases for Support.“ Praxis-Check: Klar: zu groß gedacht. Deshalb: Können Sie die guten Projekte an einer anderen Stelle in Ihrer Organisation finden?
  • Regel 7: „Der/die Fundraiser(in) und das Organisations-Team dürfen mit Geduld und Investitionen rechnen – gerade auch für die Gewinnung von Großspendern.“ Praxis-Check: Dies ist der einzige Punkt, den wir tatsächlich als obligatorisch ansehen. Ohne einen ausreichend langen Atem ist ein erfolgreiches Fundraising nicht aufzubauen.

Die Autoren des Textes

Malte Schumacher, Historiker und Stiftungs­manager, unterstützt seit 2017 als Philanthropie-Berater soziale Investoren sowie Non-Profit-Organisationen. Von 2015 bis 2017 hat er als Geschäftsführer die EngagementZentrum gGmbH in Braunschweig aufgebaut.
www.malte-schumacher.de

Henning Karsten, Soziologe und Stiftungs­ma­nager, ist seit 2018 Referent für Fund­rai­sing und Stiftungsbevollmächtigter der Prä­si­dentin an der TU Braunschweig. Zuvor war er Leiter der Stabsstelle Fundraising und Alumni an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.
www.hbk-bs.de

Foto: Spuno/Fotolia


Mehr praktische Tipps und Ideen rund ums Spenden für Vereine, Organisationen und Stiftungen gibt es im gedruckten Heft. Das Fundraising-Magazin ist nicht am Kiosk erhältlich, nur exklusiv beim Verlag. Hier geht’s zur Bestellung.