Anonyme Großspenden: Wie NGOs und Stiftungen damit umgehen

Dürfen Vereine anonyme Großspenden annehmen? Was NGOs und Stiftungen beachten müssen, wenn sie plötzlich mit hohen Summen bedacht werden.

Man darf ja noch träumen, von den großen, den ganz großen Spenden. Treffen sie dann aber tatsächlich ein, sind NGOs oft damit überfordert. Spielen wir das Szenario durch: Eine anonyme Großspende erreicht die Organisation. Man ist freut sich, ist glücklich und möchte sich gern bedanken. Doch das ist gar nicht so einfach.

Woher stammt das Geld?

Im August 2019 passierte es erneut. Die „Braunschweiger Zeitung“ erhielt eine anonyme Spende in Höhe von 100.000 Euro in einem Briefumschlag, versehen mit dem Spendenzweck: Hospiz Am Hohen Tore in Braunschweig. Warum der Spender oder die Spenderin anonym bleiben will, bleibt im Dunkeln. Auch ob es dieselbe Person ist, die schon zwischen 2014 und 2016 mit einer richtigen Spendenserie auf sich aufmerksam machte und dabei die Berichterstattung der Zeitung bei der Projektauswahl berücksichtigte. „Wir kriegen alle das breite Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht“, sagt die Leiterin des Hospizes, Petra Gottsand, der Zeitung. Eine so hohe Spende hatte die Einrichtung, die Menschen auf ihrem letzten Lebensweg begleitet, noch nie erhalten. „Das ist schon Wahnsinn.“ Doch geht da alles mit rechten Dingen zu? Woher stammt das Geld?

Nicht verboten für Stiftungen und Vereine!

Auch Reinhard Greulich, Fundraiser bei der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler, kennt das. Er wagte seinen Augen kaum zu trauen, als er vor einigen Jahren einen Brief mit aufgeklebten Zeitungsbuchstaben öffnete. Nein, keine Lösegeldforderung, sondern eine anonyme Spende von über 10.000 Euro. Aber es gibt keinen Grund, eine solche Spende nicht anzunehmen. Das ist erlaubt. Nur politische Parteien dürfen nach dem Parteiengesetz keine anonymen Spenden über 500 Euro annehmen.

Spenderwille unbekannt

Für Organisationen bedeuten diese Spenden trotzdem Stress. „Spenden in der Größenordnung kommen normalerweise als Folge eines intensiven Kontaktes mit dem Fundraiser zustande“, so Greulich. Dann ist auch die Person bekannt, der Spenderwille klar und die Organisation weiß, wofür das Geld einzusetzen ist und wem zu danken ist. Eine Entscheidung ohne Spenderwille ist dagegen schwierig. Theoretisch könnte das Geld auch die Fundraiser-Stelle finanzieren helfen. Doch ob das wirklich gewollt ist? Greulich akzeptiert aber die Spendenentscheidung: „Ich werde da gar nicht weiter nachforschen, sondern die gewählte Anonymität respektieren.“

Anonyme Großspenden öffentlich bedanken

Den Dank an den anonymen Gönner ging er pragmatisch an. Er bedankte sich öffentlich, ohne Nennung des Betrages, auf der Website und in einer Publikation der Organisation. Andere Organisationen gehen sogar noch weiter und schalten in der Regionalpresse eine Dankes-Anzeige. Gerade für Menschen, die ihren Reichtum nicht an die große Glocke hängen, ist das Thema Spenden auch mit Problemen behaftet. Denn wie kommt das im Freundeskreis an, wenn plötzlich bekannt wird, dass man große Summen spenden kann? Die Angst, das persönliche Umfeld durch eine öffentliche Spende zu überfordern, ist hier nicht unerheblich, wie ein Stifter im Vertrauen berichtet. Dies bestätigt auch eine Studie aus dem Jahr 2014 von Nichola Raihani, Evolutionsbiologin am University College London. Diese bezieht sich zwar auf Online-Spenden, macht aber deutlich, dass besonders die großen Spender nicht von der gesellschaftlichen Norm abweichen und deshalb lieber anonym bleiben wollen.

Anonyme Spenden-Anfragen vermeiden

Dieser Wunsch nach Anonymität ist aus Sicht von Großspendern nichts Ungewöhnliches. Häufigster Grund ist, dass Spender bei hohen Summen mit sehr vielen neuen Spendenwünschen konfrontiert werden. Die Anonymität bietet da einen Schutz. Außerdem recherchieren diese Spender offenbar genau, wohin sie ihr Geld geben. Eine gute Marke, Pressearbeit und natürlich eine aussagefähige Website auch mit Projekten für Großspender könnten dem Wunsch dieser Menschen entgegenkommen. Das Deutsche Rote Kreuz hat für das Thema anonymes Spenden sogar bereits ein Spendenformular auf der Website eingerichtet, das aber auf 200 Euro begrenzt ist, weil so auch eine Spendenbescheinigung ohne Zuwendungsbescheinigung nach deutschem Recht möglich ist. So wird das Thema aber zumindest auffindbar.

Vertrauensvolle Beziehung zur Spenderin

Sollten also Vereine und Stiftungen das anonyme Spenden erleichtern? Das ist praktisch eigentlich unmöglich, denn auf allen Überweisungswegen, außer bei der anonymen Barspende, werden Daten des Absenders mitgeliefert. Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Fundraisern und den Spendern kann hier eher zum Erfolg führen, wenn die Anonymität vonseiten des Spenders gewünscht und gewahrt wird. So erhielt das Berner Kunstmuseum, nachdem bekannt wurde, dass es das Gurlitt-Bilder-Erbe antritt, eine anonyme Spende von mindestens einer Million Franken für eine eigene Forschungsstelle zur Aufarbeitung der teilweise geraubten Kunst. Die Spenderin sei eine Freundin des Hauses, die das Museum schon bei anderen Gelegenheiten unterstützt habe, sagte Christoph Schäublin, Stiftungsratspräsident des Kunstmuseums Bern im Interview mit dem „Schweizer Tages-Anzeiger“ damals. Eindeutig eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung zur Spenderin.             

Text: Matthias Daberstiel, Foto: Sally Jermain/pixabay


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