VisionBakery schließt Crowdfunding-Plattform

Die zweitgrößte deutsche Crowdfunding-Plattform VisionBakery stellt zum 28. Februar 2020 die Annahme von neuen Projekten ein. Stephan Popp erklärt, warum.

Deutsche Crowdfunding-Plattformen gibt es sehr viele und es gab schon viele Neugründungen und Schließungen. Doch wenn die zweitgrößte deutsche Plattform VisionBakery, einer der Crowdfunding-Pioniere, nach zehn Jahren das Handtuch wirft, ist das schon alarmierend. Die Finanzierbarkeit der Plattformen scheint danach nur noch für einen der Anbieter kostendeckend: startnext.de. Dieser beherrscht mit vielen Ablegern über 90 Prozent des deutschen Marktes für Reward-Based-Crowdfunding.
Matthias Daberstiel sprach mit Stephan Popp, einem der Gründer der VisionBakery, über die Gründe für den Ausstieg und über die Zukunft von VisionBakery.

Was sind die Gründe für die Aufgabe der Plattform VisionBakery?

Zehn Jahre Plattformarbeit sind eine lange Zeit. Damit hatten wir anfangs nicht gerechnet. Wir haben uns immer als lernende Organisation verstanden, die sich entwickeln darf. In den letzten vier Jahren haben wir mit Crowdfunding-Campus ein neues Unternehmen gegründet. Wir sind erster zertifizierter Bildungsträger in Deutschland beim Thema Crowdfunding. Crowdfunding sehen wir dabei als Tool für Einzelgründungen. Es war an der Zeit, sich zu entscheiden. Beide Felder in gewohnter Art weiter zu bespielen, wäre zu Kosten der Qualität gegangen. Das kam für uns nicht infrage. Deshalb die Entscheidung zur Veränderung.

Wie gut sind Deiner Meinung nach Crowdfunding-Plattformen heute überhaupt noch durch Gebühren finanzierbar?

Es ist für uns schwer einzuschätzen, ob andere Plattformen in der Lage sind, ausschließlich durch Gebühren zu bestehen. Obwohl wir in den letzten zehn Jahren sehr auf Optimierung und Sparsamkeit gesetzt haben, konnten wir VisionBakery nur mit sehr viel Herzblut betreiben. Viele Menschen haben viel Zeit investiert und somit die Plattform lebendig und möglich gemacht. Das klingt jetzt pathetisch, aber VisionBakery verkörpert für uns idealistische Werte. Wir wollten immer einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen und eine Plattform, um Ideen zu verwirklichen. Dabei ging es uns nicht um das Geld. Ob das die richtige Entscheidung war, die Werte in den Vordergrund zu stellen, zeigt sich meist erst später.

In den letzten Jahren tauchten immer mehr Plattformen auf, die durch Banken finanziert werden, die den Usern die Gebühren erlassen und hinter denen Startnext steckt. Wie ruinös ist dieser Wettbewerb für die gesamte Branche?

Der Markt hat sich verändert. Aus meiner Sicht macht Startnext einen guten Job und bietet eine technische Lösung an, welche einen eindeutigen Nutzen schafft. Letztendlich ist auch Crowdfunding ein Teil der Marktwirtschaft und Startnext vereint mit seinem Angebot rund 95% des Marktes in Deutschland. Die Kehrseite davon ist, dass nicht nur in der Wahrnehmung dadurch eine gewisse Monopolstellung einhergeht. Das heißt sicherlich auch, dass kleinen Anbietern gefühlt weniger Raum zur Verfügung bleibt. Ein ebenbürtiger Konkurrent wäre spannend und wünschenswert. Durch Reibung am Markt entsteht ja auch Druck, neue und innovative Lösungen zu entwickeln. Das macht ja auch Spaß.

VisionBakery galt als die zweitgrößte Crowdfunding-Plattform in Deutschland. Euer Aufgeben heißt doch, dass Crowdfunding-Plattformen, selbst mit Eurem Marktanteil, nicht mehr finanzierbar sind, oder?

Das zahlt auf die idealistischen Werte ein, die ich vorhin erwähnt habe. Mit einem Augenzwinkern würde man es heute neudeutsch „social activism“ nennen. VisionBakery war von Beginn an ein Herzensprojekt. Alleine in der Software stecken tausende unbezahlte Arbeitsstunden und unzählige Stunden in anderen Bereichen. Da ging es eben nicht um reine Finanzierbarkeit. Das, was wir dabei gelernt haben, ist unbezahlbar. Außerdem sind sich viele Menschen beim Ideen-Verwirklichen begegnet und haben neue Netzwerke gebaut. Für uns bleibt die Arbeit bis hierhin auch immer eine Phase, auf die wir gern zurückschauen und auch im Alter noch stolz darauf sind. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Du schreibst bei Facebook, dass VisionBakery aber als Marke erhalten werden soll. Was soll es unter dieser Marke künftig geben?

Wie schon erwähnt, haben wir mit dem Crowdfunding-Campus in den letzten Jahren ein neues Feld entwickelt. Mit unserer Arbeit dort können wir aktiv Crowdpreneurship voranbringen. Ziel ist dabei auch ein Wandel des Gründungsgeschehens in Deutschland. Das streben wir durch Optimierung des Gründungsprozesses an. Gründer haben Visionen, ihnen fehlen aber häufig die richtigen Tools. Unser Weg bezieht zusätzlich die Community ein. VisionBakery soll zukünftig einen Teil des Weges darstellen. Wir freuen uns darauf.

In der Plattform steckt auch sehr viel Wissen, was macht Ihr damit?

Um mal die Worte meiner lieben Kollegin und Plattformmanagerin Anja Thonig zu verwenden: „Unsere Beratung war immer unsere Stärke. Das wird auch so bleiben. Bei Crowdfunding-Campus bieten wir diese Qualität weiter an. Das Ende der bisherigen Arbeit von VisionBakery ist für uns auch ein Schritt in die Zukunft und hin zu einer Veränderung. Dem Crowdfunding bleiben wir mit dem Campus treu.“
Das Wissen bleibt definitiv erhalten. Wir arbeiten gerade an verschiedenen Ideen. Wer uns bei Instagram und Facebook folgt, ist auf dem neuesten Stand – wenn ich mal den Hinweis aufs Klicken ganz eigennützig bringen darf.
Am Content basteln wir schon. Gebt uns da noch einen Moment Zeit.


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