„Im Fundraising gilt es immer, flexibel und kreativ zu sein …“

Sophia Athié verantwortete die preisgekrönte Kapitalkampagne „Frankfurt baut das neue Städel – Bauen Sie mit“. Vor knapp zwei Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Berlin, um die neu geschaffene Stelle als Leitung Development am Berliner Ensemble zu übernehmen. Als regelmäßige Dozentin beim Major Giving Institute lässt Sophia Athié die Teilnehmer hinter ihre Fundraising-Kulissen blicken. Hier traf unser Autor Jan Uekermann sie zum Gespräch über Unterschiede zwischen Museum und Theater, Frankfurt und Berlin und welche Herausforderungen und Erfolge der Aufbau des Fundraisings für das Berliner Ensemble mit sich bringt.

Sie sind schon lange im Großspenden-Fundraising tätig, haben einige Jahre in den USA gearbeitet, sehr erfolgreich die Städel-Kampagne in Frankfurt durchgeführt. Seit knapp zwei Jahren sind Sie jetzt am Berliner Ensemble. Was hat Sie dort bei Ihrem Start erwartet?
Ein Intendanten-Wechsel im Theater bringt üblicherweise viele Veränderungen mit sich – nicht nur inhaltlicher, programmatischer Art, sondern auch im Ensemble und in der Verwaltung. So waren auch am Berliner Ensemble zu Beginn der Spielzeit 2017/18 viele aus dem Team neu. Es wurden sogar ganze Bereiche und Abteilungen neu erschaffen, wie der Be­sucher­service, die Theatervermittlung und eben auch mein Bereich, das Development. Da ging es erst mal darum, überhaupt eine Förderstruktur zu kreieren und zu klären, welche Möglichkeiten wir mit dem Fundraising haben: Was ist mehr oder minder unmittelbar aussichtsreich, was können wir erst mittel- oder langfristig etablieren – Freundeskreis inklusive Großspenden-Fundraising, Kooperationspartner, Sponsoring, Stiftungen?

Es ging also auch darum, den Prozess der Institutional Readiness zu starten?
Ja, auf jeden Fall! Wir mussten aber auch erst mal ausreichend Computer anschaffen, denn die gab es vorher dort noch nicht in dem Ausmaß. Dazu die Herausforderungen, dass alles neu angefangen hat und alles gleichzeitig passieren musste. Wir sind zwar hauptsächlich durch öffentliche Gelder finanziert, aber von den fünf großen Sprech-Theatern in Berlin sind wir auch das zweitärmste. Es besteht eine große Notwendigkeit, Spenden zu generieren, und das wird intern auch gesehen und nach Kräften unterstützt. Nun war ja aber in meinem Fall nicht nur ich neu, sondern auch die Abteilung an sich: Plötzlich war da neben all den anderen Baustellen noch jemand, der die Schauspieler für Veranstaltungen brauchte und Drucksachen plante und mit allerlei Anforderungen daherkam. Unser Intendant Oliver Reese unterstützt das alles sehr – doch ja, es gibt auf allen Ebenen viel zu tun, nicht nur im Fundraising.

Wo sehen Sie größte Unterschiede zwischen Frankfurt und Berlin, dem Städel und dem Ensemble?
In Frankfurt identifiziert man sich mit dem Städel Museum. Es ist eine Bürgerstiftung und über 200 Jahre hinweg von der Bürgerschaft ge­tragen. Es ist das größte Kunstmuseum in Frank­furt, 700 Jahre Kunstgeschichte unter einem Dach. Das Berliner Ensemble hat da ganz andere Attribute. Es gilt als eine der re­nom­mier­testen und traditions­reichsten Büh­nen in Deutschland und ist – dank Bertolt Brecht – auch international bekannt. In Berlin ist es aber auch nur eines von fünf Sprech-Theatern, hinzu kommen Oper, Kon­zert­häuser, Museen und einfach unzählige Kul­tur­ver­an­stal­tungen, die Berlin bietet. Die Kon­kur­renz ist eine ganz andere hier, ebenso wie der Ursprung der beiden Einrichtungen: Im Städel konnten wir immer anknüpfen an Johann-Friedrich Städel, ein einzelner Bürger, der seine Kunst und sein Vermögen seinen Mit­bür­gern vermacht hat. Eine tolle Botschaft fürs Fund­raising!

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Im Fundraising gilt es doch immer, flexibel und kreativ zu sein, es geht viel um Gespür. Und natürlich gibt es strukturell große Unterschiede. Im Kunstmarkt, dem sich auch ein Museum nicht komplett entziehen kann, herrschen ganz andere Voraussetzungen als im Theater, wo die Kunst quasi komplett vergänglich ist.

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Helfen Ihnen bei diesen Gegensätzen Ihre langjährigen Fundraising-Erfahrungen in Kunst und Kultur?
Es hilft mir sehr, schon viele Jahre und in verschiedenen Disziplinen gearbeitet zu haben: Performing Arts Center und öffentlicher Radio­sender in New York, in Deutschland dann ein klassisches Musikfestival und ein Museum. Man lernt, sich immer wieder auf das Neue einzustellen, aber letztendlich gibt es keine „Schablone“: Was im Städel bei der Er­wei­te­rungs­kam­pag­ne gut lief, ließ sich nicht un­be­dingt auf die Kampagne zum 200. Jubiläum über­tragen, was am Museum erfolgreich war, muss nicht am Theater funktionieren. Im Fundraising gilt es doch immer, flexibel und kreativ zu sein, es geht viel um Gespür. Und natürlich gibt es strukturell große Unterschiede. Im Kunstmarkt, dem sich auch ein Museum nicht komplett entziehen kann, herrschen ganz andere Voraussetzungen als im Theater, wo die Kunst quasi komplett vergänglich ist. Wenn eine Inszenierung nicht mehr gespielt wird, bleibt allenfalls die Videoaufzeichnung.

Wie wirkt sich denn der Theater-Alltag auf Ihren Alltag aus?
Auch da gibt es große Unterschiede. Vor einer Premiere herrscht noch mal eine ganz andere Stimmung als vor einer Ausstellungseröffnung. Im Theater haben wir es – anders als mit den Kunstwerken im Museum – mit lebendigen Künstlern zu tun, Menschen mit Emotionen, Gefühlen, Erwartungen. Das wirkt sich definitiv auch auf meinen Job aus. Es macht es teilweise komplizierter, aber natürlich auch wunderbar, mit dem Ensemble zusammenarbeiten zu dürfen. Eine echte Herausforderung am Theater ist es, Abläufe und Termine längerfristig zu fixieren, weil die monatlichen Spielpläne so kurzfristig, nur einen Monat im Voraus, festgelegt werden. Das macht die Planung von Empfängen oder besonderen Veranstaltungen natürlich schwer.

Wie haben Sie das Fundraising aufgebaut, wie ist Ihr Förderprogramm gestartet?
Einige Stiftungen wie die Deutsche Bank-, die Bosch- sowie die Heinz und Heide Dürr-Stiftung und die Aventis Foundation haben auch schon das Schauspiel Frankfurt gefördert und nun auch das Berliner Ensemble. Neu sind die Beisheim-Stiftung sowie die innogy-Stiftung. Auf privater Ebene haben wir zunächst einen Freundeskreis gegründet, den gab es nämlich noch nicht. Das bietet tolle Möglichkeiten, die Leute immer wieder einzuladen und persönlich kennenzulernen. Der Verein soll ganz nah ans Haus gebunden sein, denn die Leute wollen das Berliner Ensemble unterstützen und nicht die Zwischenstufe eines Vereins.

Wie hat sich denn der Freundeskreis entwickelt?
Sehr gut, finde ich, was die Stimmung und das Engagement angeht. Mitgliederzahlen dür­fen gerne noch wachsen, ob­wohl ich immer höre, dass die über 220 Mit­glieder, die wir jetzt haben, nach knapp zwei Jahren und für Berlin ziem­lich gut seien. Dar­unter sind er­freu­licher­weise übrigens auch viele junge Mit­glie­der, die sich ja eigentlich nicht mehr so an einen Ver­ein binden lassen. Wir konnten auch eine höhere För­der­stufe einführen, die recht gut funk­tio­niert. Her­aus­for­dernd ist es jetzt, immer wieder zu ent­schei­den, welche Pri­vi­le­gien mit der höheren För­der­stufe ver­bun­den sind.

Wie haben sich andere Vorhaben entwickelt, die Sie zu Beginn hatten?
Ich wollte gerne Sponsoren für eine einzelne Inszenierung suchen oder Spielzeitpartner für die ganze Saison. Das wird aber vermutlich schwierig bleiben. Wir haben es mit viel kürzeren Vorlaufzeiten zu tun und die Inhalte sind oft politisch, zeitgenössisch, kontrovers. In der Regel lässt sich bei Probenbeginn – sechs Wochen vor der Premiere – noch nicht beschreiben, was am Ende dabei rauskommen wird, es ist ein Prozess. Unter diesen Umständen ist es enorm schwer, potenzielle Partner für einzelne Produktionen zu finden.

Haben Sie am Berliner Ensemble – wie auch erfolgreich am Städel umgesetzt – Möglichkeiten wie Raumpaten­schaften?
Auch da müssen wir vorsichtig sein, denn der Spirit ist einfach ein anderer. Angenommen, ein großes Unternehmen würde mit einer substanziellen jährlichen Summe die Patenschaft für eine Spielstätte übernehmen, es wäre trotzdem schwierig, den Raum entsprechend zu benennen. In England und den USA ist das üblich und natürlich auch mit ganz anderen Summen verbunden, in Deutschland ist diese Vorgehensweise nicht etabliert. Es würde viele Theaterbesucher eher verschrecken. Zwei sehr großzügigen Unter­stützern haben wir eine Loge gewidmet, aber die sind so bescheiden, die Nennung ist ganz subtil. Und Stuhlpatenschaften bieten wir an, aber das sind überschaubare Beträge.


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