Geldauflagen: Sanktionen für den guten Zweck
In keinem anderen Land auf der Welt gibt es Geldauflagen. Als Finanzierungsquelle für gemeinnützige Organisationen sind sie einzigartig in Deutschland. Geldauflagen dienen Strafrichtern und Staatsanwälten als juristisches Sanktionsmittel in Ermittlungs- und Strafverfahren, die vorläufig nach § 153 a StPO eingestellt oder mit einer Bewährungsstrafe von bis zu zwei Jahren nach § 56 StGB beendet werden.
Die Konkurrenz auf dem Markt ist groß – gesellt sich zu den Organisationen doch auch die Staatskasse als potenzieller Empfänger von Geldauflagen. Daher stellt sich umso mehr die Frage, wie sich die Geldauflage in den letzten Jahren geschlagen hat, in der sich Krise an Krise reiht. 2021 wurden Geldauflagen in Höhe von 90,7 Millionen Euro an gemeinnützige Organisationen zugewiesen. Das übertrifft leicht den Durchschnittswert der letzten fünf Jahre. Wie hoch das Gesamtaufkommen an Geldauflagen ist, das auch die Zuweisungen an die Staatskasse beinhaltet, lässt sich leider nicht beziffern. Eine transparente Auflistung führen die entsprechenden Stellen schlicht nicht.
Bundesweit verschieden
Die bundesweite Verteilung von Geldauflagen ist immer schon sehr unterschiedlich und bleibt es auch weiterhin: Bayern als das zuweisungsstärkste Bundesland weist mit 17,2 Millionen Euro beinahe so viel zu wie alle Bundesländer aus dem Norden und Osten zusammen (insgesamt 18,5 Millionen Euro in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen). Das geht zum einen auf die jeweilige Bevölkerungsanzahl und die entsprechende Anzahl an Verfahren zurück. Zum anderen unterscheiden sich die Bundesländer massiv in der Verteilung der Geldauflagen an Gemeinnützige versus an die Staatskasse. Doch entgegen allen Befürchtungen, die Corona-Pandemie halte die Behörden davon ab, zu arbeiten oder aber lasse die Geldauflagen vermehrt in die immer stärker beanspruchte Staatskasse abwandern, ist die Summe der Geldauflagen seit Jahren stabil und zuletzt leicht gestiegen.
In Hinblick auf die Verteilung der Geldauflagen nach Kategorien und Zwecken gibt es keine merklich erkennbare Verschiebung zugunsten der einen oder anderen Hilfeleistung. Nach wie vor erhalten Organisationen aus dem Kinder- und Jugendhilfebereich am meisten Geldauflagen, gefolgt von Gesundheitsvorsorge und -hilfen.
Zielgruppe Juristen
Damit Organisationen Geldauflagen erhalten – und das kontinuierlich und nicht nur zufällig –, ist es nicht nur wichtig, die Verwaltung und Überwachung von Geldauflagen transparent und zuverlässig zu meistern, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Bedarfe und Unterstützungsangebote bei der Zielgruppe, also den Juristen, bekannt sind.
Anders als bei Spendenmailings ist es bei Geldauflagenmailings nicht möglich, die Zuweisung einer Geldauflage einer bestimmten Maßnahme direkt zuzuordnen. Das ist schade und lässt die Analyse über die Mobilisierungskraft von Mailings oder Anzeigen meist weniger gut dastehen. Doch genau diese Lücke macht das große Gut von Geldauflagen aus: Als freie, keinem Zweck zugewiesene Mittel können sie überall dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden.
Kontinuierlich und skalierbar
Der häufigste Einwand beim Geldauflagenmarketing war immer – neben der Intransparenz der Geldauflagenvergabe –, dass die Einnahmen durch Geldauflagen nicht planbar seien und damit auch im Fundraising-Mix besser nicht mit Geldauflagen zu rechnen sei. Heute machen viele Organisationen die Erfahrung, dass insbesondere die Kleinspenden zurückgehen. An Bedeutung gewonnen haben durch Kontinuität dagegen Geldauflagen. Sie halten sich stabil – seit Jahren. Und sie beweisen sich in diesen Zeiten als krisensicher und für viele Organisationen sogar seit Jahren weiter skalierbar – wenn entsprechend in die Akquise, die Verwaltung und Überwachung von Geldauflagen investiert wird.
Bitte in Papierform
Auch in Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung tickt der Bereich des Geldauflagenmarketings ein wenig anders. Nach wie vor korrespondieren noch heute die meisten Behörden per Brief, nicht selten wird das Fax als Kommunikationskanal präferiert – und die E-Mail meist überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Das trifft nicht nur auf die Verwaltungsarbeit zu, sondern auch auf das Werben um Geldauflagen, das nach wie vor auf dem Papier beruht in Form von Mailings, Advertorials oder Anzeigen.
Blick in die Zukunft?
Wie sich das Sanktionsmittel Geldauflage in diesem Jahr entwickeln wird, ist offen: Wird die Geldauflage weiterhin genutzt, um Verfahren zu beenden oder Bewährungsauflagen zu erfüllen? Oder wächst angesichts der steigenden finanziellen Belastung der Bevölkerung der Anteil von Auflagen in Form einer gemeinnützigen Arbeit? Wird aufgrund der hohen Kosten durch den Ukraine-Krieg mehr die Staatskasse bedacht oder richtet sich der Fokus stärker auf die Unterstützungsangebote in Deutschland?
Die Autorin dieses Beitrags, Sarah Christin Müller, Ethnologin und Volkswirtin (M. A.) sowie Fundraising-Managerin (FA), ist Prokuristin der GFS Fundraising Solutions GmbH und leitet die Geschäftsstelle in Berlin. Sie berät seit 2013 regionale, überregionale und international tätige Organisationen. Sie ist Expertin für den Bereich des Geldauflagenmarketings und Dozentin an der Fundraising-Akademie.
Foto: pfpgroup/AdobeStock
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