Dem Herzen auf die Sprünge helfen

Wie Sie mit psychologischen Erkenntnissen Spendende ansprechen, gewinnen und binden. Und welche „Big Five“ dabei ausschlaggebend sind.

Rein ökonomisch betrachtet erscheint es irrational, Geld an eine NPO zu spenden, denn es gibt schließlich keine materielle Gegenleistung. Warum aber spenden dann Menschen Geld? Weil sie psychologisch sehr wohl Gegenleistungen erhalten! Diese Gegenleistungen sind nicht unbedingt offensichtlich, und manche Spenderinnen und Spender würden sogar jede Art von Eigennutz entrüstet zurückweisen. Doch wenn eine NPO diese psychologischen Gegenleistungen kennt und geschickt einsetzt, kann sie Menschen besser ansprechen, als Spender gewinnen und langfristig binden.

Ein erster Ansatz stützt sich auf die Persönlichkeit der Menschen. Das etablierte Standardmodell der Persönlichkeitsforschung sind die „Big Five“: fünf Merkmale, die jeden Menschen in unterschiedlicher Ausprägung kennzeichnen. Von Interesse ist hier der Faktor „Verträglichkeit“. Menschen mit einer hohen Ausprägung dieses Persönlichkeitsmerkmals sind verständnisvoll und kooperativ, mitfühlend und hilfsbereit – ideale Voraussetzungen für das Fundraising. Zwar ist der Appell an den menschlichen Altruismus nichts Neues, sondern die Standard-Ansprache beim Spen­den­sam­meln schlechthin. Wendet man sich jedoch gezielt an Menschen mit einer hohen Ausprägung dieses Merkmals, kön­nen Streuverluste verringert werden.

Anschluss- und Machtmotiv

Eine weitere Grundausstattung der Menschen betrifft grundlegende soziale Motive, aufgrund derer Menschen mit viel Energie auf etwas hinarbeiten, das ihnen äußerst erstrebenswert erscheint. Dies sind:

  1. das Anschlussmotiv, also der Wunsch nach engen Verbindungen zu anderen Menschen,
  2. das Machtmotiv, also das Bedürfnis, Einfluss auf andere Menschen auszuüben,
    sowie
  3. das Leistungsmotiv, also das Streben nach eigenen Erfolgen.

Betont das Fundraising das Anschluss­motiv, wird die NPO in Aussicht stellen, mit einer Spende in die Gemeinschaft der Un­ter­stützer aufgenommen zu werden und eine angenehme Beziehung zur NPO einzugehen. Für die Bedienung des Machtmotivs kommuniziert die NPO gegenüber potenziellen Spendern ein gewisses Mitspracherecht und eine Teilhabe an der Arbeit der NPO. Dominiert das Leistungsmotiv, kann die NPO auf einen effizienten Mitteleinsatz und auf ihre Erfolge verweisen, die auch zu den Erfolgen der zukünftigen Spender werden können („Tragen Sie dazu bei, dass ….“).
Selbstverständlich geschieht all dies in der Kommunikation bereits heute, allerdings bislang oft ungezielt und verstreut in Texten und Materialien. Interessierte oder Erstspender können jedoch beim ersten Kontakt bereits mit wenigen einfachen Fragen einem Motiv zugeordnet werden und in der weiteren Kommunikation bevorzugt mit entsprechenden Argumenten versorgt werden.

Klares Profil der NPO

Die bisherigen Möglichkeiten sind auf alle NPOs anwendbar. Bei der Auswahl eines konkreten Spendenzwecks lautet die Empfehlung jedoch oft: „Folgen Sie Ihrem Herzen.“ Die Entscheidung erfolgt dann auf Basis persönlicher Werte und Interessen. NPOs, die hier ein klares Profil bieten (und kommunizieren!), werden besonders punkten, indem sie von Spendern als ein „verlängerter Arm“ für ihr Anliegen wahrgenommen werden und man eine gemeinsame Mission hat.
NPOs mit humanitärer Ausrichtung bieten in der Regel eine Art „Gesamtpaket“, mit dem das Leben von Geförderten in vielen Bereichen verbessert werden soll. Zur Fokus­sierung scheinen die Teil­aspekte „Gesundheit“, „Bildung“ und „Un­ab­hängig­keit“ (im Sinne von Unter­stützung, um sich selbst etwas für ein besseres Einkommen aufzubauen) besonders ge­eignet zu sein, da sie recht klar mit konkre­ten Zielen und Maßnahmen verknüpft sind. Dagegen wirkt beispielsweise das Streben nach „Gerechtigkeit“ (im Sinne einer gerechten Verteilung von Ressourcen, eben auch an Benachteiligte) eher unspezifisch. Der Wert „Helfen in existenziellen Notlagen“ ist als Sonderfall andererseits so tief im menschlichen Verhalten verankert, dass NPOs ihn ohne aufwendige Argumentation nutzen können.

Nur wenige Fragen beim Erstkontakt reichen

Fazit: Für NPOs bieten sich Möglichkeiten, auf Grundlage bekannter und etablierter psychologischer Mechanismen Menschen fokussierter anzusprechen. Um die Wünsche und Bedürfnisse der Interessierten oder Spender besser kennenzulernen, können schon wenige Fragen beim Erstkontakt ausreichen. Je nach Personengruppe unter­schied­liche Aspekte der eigenen Arbeit zu thematisieren und damit gezielt eine psychologische Gegenleistung anzubieten, macht sicherlich mehr Mühe, verspricht aber Erfolg in einem umkämpften Markt.

Der Autor dieses Beitrags, Eckhard Preis, ist Inhaber des Kölner Marktforschungsinstituts „transpekte“. Nach seinem Psychologie-Studium arbeitete er in Media-Agenturen, bei RTL und in einem Marktforschungsinstitut. Mit seinem eigenen Unternehmen forscht er weiter für RTL zu Werbewirkung und Zielgruppen und führt seit zehn Jahren immer wieder Umfragen für eine große internationale Hilfsorganisation durch.

Foto: pexels


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