Bitte ein Like! Was Millennials zum Spenden brauchen

Millennials sind eine spannende Zielgruppe für das Fundraising: sozial engagiert und an den brennenden Themen der Zeit interessiert. Dazu gut ausgebildet und dank Fachkräftemangel eine sichere Bank auf dem Jobmarkt. Allein in Spendenzahlen schlägt sich das nicht nieder. Was müssen Organisationen tun, um junge Erwachsene für sich zu gewinnen? Eines ist klar: Mit der klassischen Ansprache funktioniert es nicht.

Die Millennials, die zwischen 1980 und 2000 Geborenen (auch Generation Y genannt), sind prädestiniert für den gemeinnützigen Sektor. Endlich mal wieder eine Generation, die sich für gesellschaftliche Belange interessiert und einsetzt. Sei es der Umweltschutz (Klimawandel), soziale Gerechtigkeit oder Antidiskriminierung (Stichwort: Wokeness). Sie kaufen teurere Bioprodukte und Wasser, das dessen Mangel in Entwicklungsländern bekämpft. Sie sind laut, diskussionsfreudig und öffentlich (Stichwort: Soziale Medien). Warum spenden sie nicht? Millennials wollen Gutes tun in der Welt. Sie erwarten dafür aber einen Gegenwert.
Es liegt nicht nur am Alter. Entscheidender ist, dass die bisherigen Strukturen und Denk­weisen des Fundraisings nicht zu dieser Zielgruppe passen. Viele Organisationen stellen die Betroffenen und den altruistischen Hilfsaspekt ins Zentrum ihrer Kommunikation.

Komplexe Motivlage

Dies deckt aber nur einen Teil der Motive der Millennials ab. Wenn sie selbst keinen Nutzen haben, ist die Sache meist nicht ausreichend interessant. Bei Millennials müssen deren Bedürfnisse mit bedacht werden und schon bei der Spendenbitte erkennbar sein.
Zur praktischen Veranschaulichung vergleichen wir eine klassische TV-Spendengala (Zielgruppe: Babyboomer und älter) mit einem Online-Fundraising-Event wie „Loot für die Welt“ (Zielgruppe: Millennials und jünger). Letzteres wird jährlich von bekannten YouTubern und Livestreamern initiiert, dauert 32 Stunden und sammelte im Laufe der Jah­re schon über zwei Millionen Euro ein, wohl­ge­merkt bei einer sehr jungen Zielgruppe. Ähn­lich wie bei einer Fern­seh­gala gibt es ein Rah­men­pro­gramm (z. B. Online-Gaming im Livestream), Spenden­pro­jekte werden vor­ge­stellt und natürlich um Spenden ge­wor­ben. Am unteren Bild­schirm­rand läuft ein Band mit Namen und ge­spen­de­ten Be­trä­gen durch, und der Gesamtspendenstand steigt in Echtzeit.

Bedürfnisse der Spendenden im Vordergrund

So weit, so wenig neu. Der Unterschied zeigt sich in der Bewerbung des Events. Die Trailer, die die TV-Galas im Vorfeld bewerben, haben eine klare, auf die Betroffenen fokussierte Botschaft, zum Beispiel „Kinder brauchen Ihre Hilfe, schalten Sie ein und spenden Sie!“. „Loot für die Welt“ verzichtet meist darauf. Ausgabe sieben wurde schlicht beworben mit: „Ein Wochenende Fun, Zocken, Musik und Mehr – für den guten Zweck“. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse der jungen Spenderinnen und Spender. In den Trailern tauchen die von der Zielgruppe umjubelten Protagonisten des Events auf, Spenden­zwecke werden allenfalls kurz genannt.

Verändertes Bewusstsein

Das mag viele Organisationen verstören, weil das altruistische Selbstverständnis vor­herrscht: Es geht um die gute Sache, der Rest ist Beiwerk. Für junge Erwachsene kehrt sich das um. Das bedeutet nicht, dass der gute Zweck für sie keine Relevanz hat, im Gegenteil: In den Kommentaren auf Insta­gram werden die Initiatoren für ihr Engage­ment gefeiert und gleichzeitig die große Vorfreude auf den eigenen Spaß betont. Für junge Men­schen schließt sich das nicht aus. Auch die Videos, in denen die Projekte während des Events vorgestellt werden, sind nicht be­schrei­bend dröge oder auf das Leid fixiert. Sie machen Spaß und sind vor allem lösungs­orientiert. Millennials wollen etwas bewirken in der Welt, und das müssen sie sehen können. Lösungen sind wichtiger als Pro­bleme. Millennials brauchen die Gewissheit, dass sie (!) einen positiven Beitrag zur Ge­sell­schaft geleistet haben.

Teil des Events sein

Können Sie sich Fernsehzuschauerinnen mit „Ein Herz für Kinder“-Fähnchen in der Hand vorstellen? Oder Zuschauer mit „RTL-Spendenmarathon“-Basecaps auf dem Kopf? LfdW (Loot für die Welt) generiert einen Teil der Spen­den über Merchandise-Verkäufe. Für die junge Zielgruppe ein Must-have. Jedes Jahr ein neuer Hoodie der aktuellen LfdW-Ausgabe zeigt allen: „Ich war dabei“. So werden die Spenderinnen und Spender Teil des Projekts – in diesem Fall des Events.
Für die Digital Natives, deren Peergroup sich nicht mehr aus dem eng umgrenzten Freundeskreis vor Ort speist, sondern in viele digitale Blasen aufgeteilt ist, ist die LfdW-Community ein weiterer Baustein ihrer fragmentierten Identität. Der LfdW-Hoodie erfüllt eine wichtige Funktion: diese Zugehörigkeit nach außen zu zeigen. Junge Erwachsene sind viel stärker darauf bedacht, ihr Selbstbild in die Öffentlichkeit zu tragen, um sich dort zu spiegeln. Das gilt auch für prosoziales Verhalten.

Orientierung zur Selbstdefinition

Soziale oder christliche Normen sind in allen Generationen ein starker Motivator für Spenden. Doch für die Millennials ist die öffentliche Rückmeldung durch das eigene soziale Umfeld viel stärker von Bedeutung. Sie bietet Orientierung für das eigene Handeln und fördert die Selbstdefinition. In einer lauten, um Aufmerksamkeit konkurrierenden digitalen Welt, in der der Einzelne unterzugehen droht, ist es essenziell, sich zu zeigen. NGOs, die den Akt des Spendens aus der Unsichtbarkeit einer Paypal-Überweisung holen und den Millennials ein Like ermöglichen, erhalten selbst eins.

Die Autorin dieses Beitrags, Dipl.-Psych. Danielle Böhle, berät mit ihrer Agentur Goldwind seit 2010 gemeinnützige Organisationen. Die Expertin für Spenderpsychologie mit Schwerpunkt Spenderbindung vermittelt ihren Kunden mit Leidenschaft und Expertise den notwendigen Blick für die Spenderperspektive. Dazu führt sie regelmäßig organisationsspezifische Spenderbefragungen und Spenderinterviews durch.

Foto: Aaron Amat – Fotolia.com


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