Mehr Menschen bereit für gemeinnütziges Vererben

Schon seit einigen Jahren verstärken viele gemeinnützige Organisationen ihre Aktivitäten im Bereich Erbschaftsmarketing. Aktuelle Studien in drei Ländern zeigen, dass gemeinnütziges Vererben für viele Menschen deutlich öfter denkbar ist.


92 Prozent der Deutschen über 50 Jahren wissen, dass man sein Erbe oder einen Teil seines Erbes einer gemeinnützigen Organisation auch vererben kann. Das stellt eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung und der Erbschaftsinitiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“ fest. Auch die Bereitschaft zum gemeinnützigen Vererben hat in den letzten Jahren einen regelrechten Sprung gemacht. Das ist insofern überraschend, weil die Deutsche Bank in einer Studie mit dem Allensbach-Institut erst vor kurzem ermittelte, dass sich die Deutschen wirklich erst auf dem letzten Drücker mit dem Thema beschäftigen. Mehr als 40 Prozent der Deutschen haben sich noch nie mit der Thematik befasst. Bei den 50- bis 64-Jährigen sind es 27 Prozent, bei den Älteren dann nur noch 14 Prozent.

Deutsche wollen mehr an Gemeinnützige vererben

Während es im Jahr 2013, als die Studie von „Mein Erbe tut Gutes“ erstmals durchgeführt wurde, lediglich elf Prozent waren, die sich einen gemeinnützigen Zweck im Testament vorstellen konnten, können sich inzwischen 28 Prozent der künftigen Erblasserinnen und Erblasser dafür erwärmen, ihr Erbe oder einen Teil ihres Erbes einer NGO zu hinterlassen. Auch bei den Kinderlosen wuchs die Bereitschaft für ein gemeinnütziges Vererben von 34 Prozent auf nun stattliche 52 Prozent.

Vor allem Menschen ohne eigene Nachkommen suchen verstärkt nach alternativen Wegen, ihre Werte an die nächste Generation weiterzugeben. Wobei dieser Antrieb auch insgesamt, ob kinderlos oder nicht, für mehr als 40 Prozent der Befragten bedeutsam ist. Die Motive für gemeinnütziges Vererben sind deshalb auch eher auf einen sinnvollen Nachlass gerichtet, als zu vermeiden, dass das Vermögen an den Staat fällt, weil es keine Verwandten gibt.

Deutsche wollen wertvolles Erbe hinterlassen. Auch an Gemeinnützige.

In der Initiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“ haben sich 22 gemeinnützige Organisationen zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel ist es, das Erbe für den guten Zweck ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. „In dem Wunsch, mit seinem Erbe einen guten Zweck zu bedenken, liegt daher bedeutendes Potenzial für das Gemeinwohl, denn viele der künftigen Erblasser und Erblasserinnen möchten der Gesellschaft etwas zurückgeben“, so Susanne Anger, Sprecherin der Initiative.

Umwelt und Soziales profitieren am meisten

Im Testament besonders beliebt, sind laut der aktuellen Studie Umwelt-, Natur- und Tierschutz. Fast jede und jeder Zweite, der sich gemeinnütziges Vererben vorstellen kann, vererbt grün. Am zweithäufigsten werden soziale Zwecke, wie zum Beispiel Behinderten- und Krankenhilfe genannt. Jeweils mehr als ein Fünftel der Befragten würde zudem die Kinder- und Jugendhilfe sowie die Not- und Katastrophenhilfe begünstigen. Ebenso beliebt sind Sanitäts- und Rettungsdienste. Auch Bildung, Wissenschaft und Forschung liegen jedem Fünften am Herzen. Auffällig ist, dass sich im Gegensatz zu 2013 religiöse Beweggründe von 19 Prozent im Jahr 2013 auf nun 8,2 Prozent mehr als halbiert haben.

Wer sich nicht vorstellen kann, gemeinnützig zu vererben, hat natürlich auch seine Gründe: 75 Prozent der Befragten möchte mit dem Erbe lieber ihre Angehörigen versorgen. Ein knappes Drittel (29 Prozent) ist aber auch schlicht der Meinung, dass ihr Erbe zu klein sei und man damit nichts bewegen könne. „Dabei können auch kleinere Beträge viel bewirken und Bleibendes schaffen“, erklärt Susanne Anger.

Österreicher vererben 63 Millionen Euro an NGOs

Seit 2012 informiert in Österreich „Vergissmeinnicht – Die Initiative für das gute Testament“ über dieses Thema. Laut market-Umfrage wissen mittlerweile bereits 76 Prozent der Österreicher über 40, dass man neben Angehörigen auch Spendenorganisationen im Nachlass berücksichtigen kann. Österreichweit können sich 13 Prozent der Menschen vorstellen, eine Testamentsspende zu machen. Damit bleibt Österreich etwas hinter Deutschland zurück. Dafür sind die Zahlen konkreter. Rund 63 Millionen Euro betrugen 2018 die Testamentsspenden zugunsten gemeinnütziger Organisationen. Dies sind beinahe zehn Prozent des gesamten Spendenaufkommens in Österreich. „Jeder zehnte Spendeneuro wird also mittlerweile über Testamente gespendet“, zeigt sich Günter Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraisingverbandes, der auch Träger der Erbschaftsinitiative ist, beeindruckt.

Testament immer noch Tabuthema

Insgesamt ist der Informationsbedarf beim Thema Erben in Österreich groß: Nur 30 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher über 40 Jahre haben ein Testament verfasst. Nach Ansicht des Fundraisingverbandes Österreich wissen immer noch viel zu wenige Menschen über die rechtlichen Rahmenbedingungen seit der Erbrechtsreform Bescheid. Ebenfalls wissen viele nicht, dass das Erbe automatisch an den Staat fällt, wenn kein Testament vorliegt und keine gesetzlichen Erben vorhanden sind. In Österreich werden pro Jahr 900 Nachlässe als erblos gemeldet. Von 2015 bis 2018 waren das 12 Millionen Euro.

Hohe Erbschaftserwartung in der Schweiz

Auch in der Schweiz gibt es seit einiger Zeit die Initiative „Myhappyend“. Diese hat in ihrer aktuellen Studie gemeinsamt mit dem Meinungsforschungsinstitut DemoSCOPE ermittelt, dass zwölf Prozent der Schweizerinnen und Schweizer über 45 Jahren sicher sind, in ihrem Testament gemeinnützige Organisationen zu berücksichtigen. Weitere 25 Prozent können sich das zumindest vorstellen. In der Schweiz gibt es für gemeinnütziges Vererben sogar eine gesetzliche Reglung. „Mit der freien Quote hat der Gesetzgeber ganz bewusst eine Möglichkeit geschaffen, via Testament ein Zeichen zu setzen – für ein Anliegen, das einem persönlich besonders am Herzen liegt. Wer davon Gebrauch macht, tut Gutes und kann der Gesellschaft etwas zurückgeben“, erläutert Beatrice Gallin, Sprecherin der Initiative „Myhappyend“.

Soviel Geld erwarten die Schweizerinnen und Schweizer zu erben.

Dass man mit der Regelung seines Nachlasses auch Streit aus dem Weg gehen kann, zeigen die Ergebnisse der Umfrage auch. Mehr als die Hälfte der Schweizer kennt mindestens eine Person, die schon mal in einen Erbschaftsstreit verwickelt war. Familiär betroffen waren bisher 28 Prozent. Interessant ist auch das Erbschaftspotenzial. Immerhin 13 Prozent der Schweizer sehen eine Erbschaft von über 250.000 Franken auf sich zukommen und immerhin noch 28 Prozent rechnen mit einer Erbschaft unterhalb dieser Summe. 52 Prozent erwarten dagegen kein Erbe.

Bei den Fundraisingtagen des Fundraiser-Magazins 2020 kann in Stuttgart ein Seminar zum Thema Nachlassmarketing für kleine und mittlere Organisationen belegt werden.

Dies ist ein Artikel der Fundraising-Akademie aus dem Newsletter „ngo-dialog professionell“. Der Newsletter veröffentlicht zehn Mal im Jahr Beiträge für NGOs, Vereine und Stiftungen.
Er kann hier kostenfrei abonniert werden.

Text: Matthias Daberstiel
Bilder: Dan Race/Fotolia.com; „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“/GfK 2019 und DemoSCOPE 2019/ Initiative Vergissmeinnicht


Mehr praktische Tipps und Ideen rund ums Spenden für Vereine, Organisationen und Stiftungen gibt es im gedruckten Heft. Das Fundraising-Magazin ist nicht am Kiosk erhältlich, nur exklusiv beim Verlag. Hier geht’s zur Bestellung.